In diesem mehrteiligen Guide, wollen wir versuchen die wichtigen Aspekte rund ums Thema Raspberry Pi Gehäuse zusammenfassen. Der kultige Einplatinencomputer aus dem Vereinigten Königreich ist schon lange nicht mehr nur ein Tool für Nerds und Neckbeards, sondern erfreut sich auch großer Beliebtheit bei all jenen, die keine jahrelange Erfahrung mit Programmierung und Elektrotechnik vorzuweisen haben, aber sich gerne in ihrer Freizeit in ein technisches Projekt stürzen. So vielfältig wie die Benutzer sind auch die Vorhaben, die du mit dem Raspberry Pi umsetzen kannst: Von Home Automation über Media Center bis hin zur Robotik gibt es unbeschränkte Möglichkeiten.
Wieso überhaupt ein Gehäuse für den Raspberry Pi?
Zunächst einmal bist du keineswegs dazu verpflichtet, für jedes Projekt ein Case zu benutzen. Es gibt durchaus Situationen – zum Beispiel, wenn man nur schnell ein Prototype oder Proof of Concept aufbauen will –, wo ein Gehäuse nicht von Nöten ist. Die Gründe, die dafür sprechen, können in drei verschiedene Kategorien eingeordnet werden:
1. Ästhetik
Nachdem etliche Stunden und viel Mühe in ein Projekt gesteckt wurden, gibt es nichts Erfüllenderes, als das fertige Produkt in das passende Gehäuse einzusetzen und sich selbst daran zu erfreuen oder das Hochgefühl mit Freunden zu teilen. Ein nackter Raspberry Pi in Verbindung mit einem wilden Chaos an verschiedenen Kabeln und Bauteilen mag eventuell die gleiche Funktion bieten, fühlt sich aber keineswegs so fertig und vollständig an wie eine dezidierte Box.
2. Schutz
Auch wenn ein Pi die meisten normalen Belastungen problemlos aushält, ist es durchaus sinnvoll, ihn gegen mögliche Stürze oder Einflüsse von außen abzusichern. Wie wichtig das ist, hängt sehr von der Art des Einsatzes ab: Bei allen Projekten, die draußen stattfinden, muss der Pi natürlich besonders geschützt werden, aber auch bei Indoor-Projekten ist der Minicomputer Gefahren ausgesetzt, die mit dem richtigen Raspberry Pi Gehäuse minimiert werden können.
3. Thermodynamik
Der wahrscheinlich wichtigste Grund, sich für ein geeignetes Gehäuse zu entscheiden, ist die damit verbundene thermische Optimierung. Das Gehirn eines jeden Computers ist die sogenannte Central Processing Unit (kurz: CPU), welche Millionen von Instructions pro Sekunde ausführt. Die CPU besteht aus mikroskopisch kleinen Transistoren, die entweder elektrische Signale durchlassen oder blockieren. Und genau bei diesem Prozess wird ein Anteil der Energie in thermische Energie umgewandelt. Oder vereinfacht gesagt: Es wird warm. Daraus folgt auch: Je höher die Last, die dem System abverlangt wird, desto mehr Wärme entsteht. Moderne CPUs sind zwar dafür optimiert, auch bei Temperaturen von bis zu 70°C ohne Probleme zu funktionieren, allerdings gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen der Temperatur und der CPU-Frequenz (Instructions pro Sekunde). Diesen Effekt hat sicherlich jeder schon mal erlebt, der einen älteren Laptop aus einer niedrigeren Preisklasse besessen hat. Wenn man viele Programme geöffnet hat und der Laptop heiß wird, nimmt die Geschwindigkeit massiv ab. Viele haben wahrscheinlich auch schon ihre Erfahrung mit dem berüchtigten Overheating Error gemacht, bei dem das System einfach ausgeht. Diese Kausalität soll nochmals mit folgendem Diagramm veranschaulicht werden:
Wie heiß darf der Raspberry Pi werden?
Der Raspberry Pi besitzt einen sogenannten SoC (System on a Chip), was nur bedeutet, dass verschiedene Baugruppen inklusive CPU in einem Chip zusammengefasst sind. Alle Komponenten erzeugen in unterschiedlichem Maße eigene Hitze, abhängig davon, wie stark diese jeweils belastet werden. Die SoC-Temperatur hängt aber auch von der Umgebungstemperatur ab, da diese im Endeffekt eine Basis bildet.
Eine Temperatur von weniger als 80°C stellt grundsätzlich kein Problem dar, ab 85°C taktet der Pi die Prozessorfrequenz automatisch herunter. Gefährlich wird es ab ca. 90°C, da hier bei einer längeren Einwirkung dauerhafte Schäden resultieren können. Ab ca. 95°C kann der Chip abrauchen und auch umliegende Bauteile oder Leiterbahnen dauerhaft beschädigen.
Bis zu einer Temperatur von einschließlich 80°C -> Kein Problem!
Ein weiterer Chip, der durch Hitze beschädigt werden kann, ist der Spannungswandler.
Falls du die Prozessortemperatur auf deinem Pi ganz einfach auslesen möchtest, hier ein kleiner Praxistipp: Öffne ein Terminal und führe folgenden Befehl aus:
cat /sys/class/thermal/thermal_zone0/temp
Ein essentielles Unix-Prinzip besagt „Everything is a file“ – und genau so ist es auch mit der CPU-Temperatur. Die cat Utility liest Textdateien und schreibt deren Inhalt nach standard output (stdout). Wir lesen also nur den Inhalt einer Systemdatei aus, welche die aktuelle Temperatur eines CPU-Kerns speichert. Um diese Angabe in °C umzurechnen, müssen wir aber noch durch 1000 teilen.
echo "$(($(cat /sys/class/thermal/thermal_zone0/temp)/1000)) c"
Hier ist aber noch wichtig zu erkennen, dass wir die Messung aktuell nur bei einem der (beim Pi 4) vier vorhanden Kerne durchführen. Um dies zu ändern, erstellen wir nun gemeinsam ein kleines Script:
cd && nano get_temp.sh && chmod +x get_temp.sh
Füge nun folgenden Code ein (Strg V) und sichere deine Änderungen mit (Strg x) und (j/y).
#!/bin/bash
i=1
for t in /sys/class/thermal/thermal* ; do
temp=$(cat $t/temp)
cpu="$((temp/1000))"
echo "CPU $i"
echo "$cpu °C"
i=$((i+1))
done
Jetzt kannst du das Script wie folgt starten:
./get_temp.sh
Kühlkonzepte von Raspberry Pi Gehäusen
Um diesen Unannehmlichkeiten entgegenzuwirken, haben sich im Wesentlichen zwei Kühlkonzepte herauskristallisiert, welche unterschiedliche Stärken und Schwächen mit sich bringen. Damit du das für dein Projekt passende Konzept finden kannst, haben wir hier die wesentlichen Unterschiede dargestellt:
Passive Kühlung
Die passive Kühlung basiert auf dem Prinzip der freien Konvektion / Wärmestrahlung, was nichts anderes bedeutet, als dass Wärmeenergie an die Umwelt abgestrahlt wird. Falls du also deinen Pi ohne zusätzliche Kühlung betreibst, arbeitest du jetzt schon mit dem passiven Kühlungskonzept, da die Wärme an die Umgebung abgegeben wird. Hier entstehen drei wichtige Variablen:
1. Umgebungstemperatur
Je größer die Temperaturdifferenz zwischen beiden Messpunkten, desto mehr Energie kann abgestrahlt werden und desto schneller findet die Umwandlung statt. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass es in einer heißen Wüste wesentlich schwieriger sein wird, ein Bauteil nur mit der Umgebungsluft zu kühlen.
Wir halten also fest: Passive Kühlung kommt nur infrage, wenn die Umgebungstemperatur weitaus niedriger ist als die gewünschte CPU-Temperatur.
2. Wärmeleitkoeffizient
Der Wärmeleitkoeffizient stammt aus der Physik und beschreibt die Fähigkeit eines Stoffes oder Materials, Wärme abzuleiten. Je höher der Wert, desto besser leitet wird thermische Energie geleitet. Für deine Winterjacke suchst du also nach Stoffen, die einen niedrigen Wärmeleitkoeffizienten besitzen, da es von Vorteil ist, wenn Energie am Körper gespeichert wird. Hier ein paar Werte, um einen Überblick zu bekommen:
- Luft -> 0,0262
- Holz -> 0,09 … 0,19
- Wasser -> 0,5562
- Glas -> 0,76
- Beton -> 2,1
- Wärmeleitpaste -> 4 … 12,5
- Stahl (unlegiert) -> 48 … 58
- Aluminium -> 236
- Kupfer -> 401
- Silber -> 429
- Diamant -> 2300
- Graphen -> 5300
Hieraus ergibt sich: Materialien mit einem höheren Wärmeleitkoeffizienten eignen sich besser für passive Kühlung, da sie die im Bauteil gespeicherte Energie schneller ableiten und an die Umgebung abgeben können.
3. Oberfläche des strahlenden Körpers
In unserer Anwendung gehen wir davon aus, dass die Energie an die Umgebungsluft weitergeleitet wird. Je größer die Oberfläche des strahlenden Körpers, desto besser und schneller kann dieser Energie abstrahlen. Genau aus diesem Grund werden Kühlrippen so gebaut, dass sie ein maximales Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis aufweisen.
Wir notieren Es ist sinnvoll, die Oberfläche bei einer passiven Kühlung zu maximieren.
Fassen wir also noch einmal zusammen: Die oben beschriebenen Prinzipien machen sich passive Kühlkörper folgendermaßen zunutze: Zuerst wird die Wärme durch Wärmeleitpaste vom Bauteil auf den Kühlkörper übertragen. Die Paste ist meist aus einem Material mit einem hohen Wärmeleitkoeffizienten und einer großen Oberfläche, sodass die meiste Energie in kürzester Zeit an die Umgebung übertragen werden kann. Wer also noch ein paar Diamanten zuhause liegen hat, der hat nun endlich einen Grund, daraus ein Raspberry Pi Gehäuse zu bauen.
Vorteile
- Keine Stromversorgung erforderlich
- Einfach umzusetzen
- Geräuschlos
- Hohe Lebensdauer
- System meist komplett geschlossen -> nicht anfällig für Staub, etc.
Nachteile
- Leistung begrenzt -> hohe Leistung -> großer Kühlkörper
- Umgebung muss Abwärme zulassen
- Evtl. teurer
Aktive Kühlung
Bei der aktiven Kühlung wird Wärmeenergie mithilfe eines Lüfters von der zu kühlenden Komponente abtransportiert. Im Hinblick auf die Leistung ist sie der passiven Kühlung überlegen. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt jetzt gerade schon in deinem Laptop oder Desktop aktive Kühlung zum Einsatz. Diese bringt normalerweise folgende Komponenten mit sich:
1. Kühlmittel
Beim Raspberry Pi ist das in den meisten Fällen Luft, von Gaming-Desktop-Computern kennst du aber eventuell die Wasserkühlung, bei der eine spezielle Kühlflüssigkeit verwendet wird. Ähnlich wie bei der passiven Kühlung ist hier eine gute Wärmeleitfähigkeit entscheidend.
2. Lüfter oder Pumpe
Ein Lüfter oder eine Pumpe erzeugt einen Kühlmittelstrom, der das zu kühlende Bauteil meistens direkt kühlt. Je größer und schneller der Lüfter, desto stärker dessen Kühlwirkung.
Bei der Wasserkühlung macht man sich die gute Wärmeleitfähigkeit von Wasser zunutze. Das Verfahren wird aber aufgrund des aufwendigen Aufbaus beim Raspberry Pi eher selten angewandt. Aus diesem Grund wollen wir sie bei der weiteren Betrachtung erstmal ausklammern.
Im Falle eines gängigen PCs wird auch gleichzeitig passive Kühlung verwendet, da ein sogenannter Radiator zum Einsatz kommt, was einem passiven Kühlkörper nahekommt. Es gibt auch manche Gehäuse für den Pi, die diese Mischung verwenden. Mehr dazu im nächsten Teil dieser Serie.
Vorteile
- Gute Kühlergebnisse
- Kostengünstig
- Regelbar
Nachteile
- Geräuschpegel
- Verschleiß
- Gute Luftzirkulation nötig
- Probleme mit Staub und Schmutz
Fazit
Beide Systeme haben ihre Stärken, deshalb nun die wichtige Frage: Für was solltest du dich entscheiden?
Es kommt darauf an! Wie bei allen wichtigen Fragen im Leben kann man hier keine Pauschalantwort geben, sondern muss für jeden Fall eine individuelle Entscheidung treffen. Ein wichtiger Faktor ist die Last der Anwendung. Im Falle eines simplen Projekts, bei dem nur eine LED blinken soll und keine graphische Oberfläche installiert ist, kommt man sehr wahrscheinlich mit kleinen Kühlkörpern sehr gut aus. Wenn aber z. B. komplizierte Mashine-Learning-Algorithmen eine Prozessorauslastung von 98 % erfordern, macht es durchaus Sinn, eine aktive Kühlung einzusetzen. Durch die effektivere Kühlung kann dann länger mit einer hohen CPU-Frequenz gearbeitet werden.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Anwendungsort: Je sauberer die Umgebung, desto einfacher ist es, einen Lüfter zu verwenden. Bei einem Outdoor-Projekt sollte man sich daher für die passive Kühlung entscheiden, da man in diesem Fall das Innenleben stark abtrennen kann.
Der maximal zugelassene Geräuschpegel spielt ebenfalls eine große Rolle. Bei den meisten geräuschempfindlichen Projekten ist es daher auch ratsam, sich für die passive Kühlweise zu entscheiden.
Im nächsten Teil dieser Serie werden wir genauer auf verschiedene bei uns erhältliche Gehäuse eingehen und deren Vor- und Nachteile erörtern.
In unserem zweiten Teil, zeigen wir dir hier, wie du ganz einfach den Lüfter deines Gehäuses smart steuern kannst.
Falls du noch mehr Interesse am Thema Raspberry Pi hast, schau dir hier unsere weiteren Artikel an!